Vita
ANTJE FRETWURST-COLBERG
1940 in Hamburg geboren
1954-58 Internat der Oberschule Sanitz bei Rostock mit Abitur
1958-62 Studium der Kunsterziehung an der Universität Greifswald mit Diplom
1961 Heirat mit dem Maler Friedrich-Wilhelm Fretwurst, Geburt des Sohnes Jan
1962-67 Lehrerin in Greifswald und Berlin
1967-71 Studium der Malerei und freien Grafik an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee mit Diplom. Besonderer
Einfluß durch den Lehrer Prof. Arno Mohr.
1971-74 Aspirantur an der Kunsthochschule Berlin
Seit 1974 freiberuflich als Malerin und Grafikerin in Berlin
1974 Geburt der Zwillinge Hinnerk und Benjamin
1983 Berlin-Preis für Malerei
1997 Umzug nach Dändorf in Mecklenburg-Vorpommern
1974-92 Mitglied des Verbandes Bildender Künstler, Berlin
1992-2013 Mitglied des Künstlerbundes Mecklenburg-Vorpommern beim BBK
seit 1997 Mitglied im Kunstverein Ribnitz-Damgarten
seit 2013 Mitglied des Vereins der Freunde und Förderer des Kunstmuseums Ahrenshoop
seit 1970 Studienreisen mit Bildfolgen nach Polen, Bulgarien, Rumänien, Tschechien (Slovakei), in die Sowjetunion
(Mittelasien), Spanien, Portugal, Marokko, Mexiko, Italien, Frankreich, Schweden, Dänemark
Ausstellungen (Auswahl)
1976 Galerie Berlin, mit F.-W. Fretwurst
1985 Galerie Carl Blechen, Cottbus
Ahrenshoop, Bunte Stube, kuratiert durch das Kupferstichkabinett Berlin
1986 Berlin, Galerie M, mit Marguerite Blume-Cardenas
Berlin, Galerie am Savignyplatz
1990 Gadebusch, Galerie am Schlossplatz
Berlin, Galerie Inselstrasse 13, mit F.-W. Fretwurst
Hamburg, Galerie Rose
1991 Berlin, Galerie am Savignyplatz
Neubrandenburg, Galerie am Friedländer Tor, mit F.-W. Fretwurst
1992 Berlin, Galerie Oberlicht
1993 Berlin, Galerie Mitte
Berlin, Galerie 100
Hamburg, Galerie Rose, mit Ursula Strozinsky und Hilary Rosen
1994 Lucca, Italien, Castello di Porta S. Pietro, mit Gudrun Kühne
Berlin, Galerie am Strausberger Platz, mit Ursula Strozinsky und Hilary Rosen
Berlin, Galerie Leo Coppi, mit Prof. Arno Mohr und Herbert Tucholski
1996 Berlin, Galerie Inselstrasse 13, mit Emerita Pansowova
Frankfurt a. M., Galerie Bernauer-Berg
1997 Ribnitz-Damgarten, Galerie im Kloster, mit Emerita Pansowova
Prerow, Darß-Museum
Berlin, Galerie am Strausberger Platz, mit Robert Metzkes
Templin, Multikulturelles Zentrum
1999 Gotha, Galerie Finkbein
Berlin, Galerie Lux
2000 Berlin, Galerie Hintersdorf
Ribnitz-Damgarten, Galerie im Kloster
Teterow, Galerie am Kamp
Bad Doberan, Galerie Pur Pur
2001 Berlin, Galerie Bewag
2002 Berlin, Galerie der Berliner Grafikpresse, Dr. Peter Röske
Warnemünde, Galerie Möller, mit F.-W. Fretwurst
2003 Hamburg, Galerie Rose, mit Michael Mohns
2003 Barnstorf, Kunstscheune Eymael, mit E. Pansowova und F.-W. Fretwurst
2004 Parchim, Galerie ebe art
2005 Berlin, Galerie Mitte
Bad Tatzmannsdorf (Österreich), Galerie am Hengstbrunnen mit Prof. Arno Mohr
Berlin, Galerie Lux, mit Gerhard Rommel
2006 Berlin, Galerie 100, mit Christine Dewerny
Wittenhagen, Kunsthalle
2007 Ahrenshoop, Kunstkaten, mit Lars Lehmann
Dresden, Galerie Finkbein
2008 Rothen, Rothener Mühle
Leinen-Ochsenbach, Galerie Scharnholz
2009 Hamburg, Galerie Rose
Dierhagen, Galerie am Meer, mit F.-W. Fretwurst
2010 Ribnitz-Damgarten, Galerie im Kloster
Ahrenshoop, Strandhalle
2010 Kunstraum Testorf, Galerie für zeitgenössische Kunst
2011 Mühlhausen, Galerie Zimmer
Schwerin, Galerie Berger
Berlin, Galerie Mitte
2012 Galerie der Müritz-Sparkasse
Galerie Arneburg, Kunstverein
2012 Rostock-Warnemünde, Galerie Möller
2013 Döbeln, Galerie im Theater
2014 Ahrenshoop, Galerie Barenbrock, mit F.-W. Fretwurst und M. Jastram
2014 Berlin, Galerie Vagt, mit F.-W. Fretwurst
2015 Halle, Zeitkunstgalerie, mit F.-W. Fretwurst
2015 Galerie der Berliner Grafikpresse, Malerei und Grafik
Greifswald, Greifengalerie
Ludwigshof, Maisalon, mit H. Hornung u. F.-W. Fretwurst
2016 Kunsthaus Koldenhof, mit F.-W. Fretwurst u. Emerita Pansowova
2017 Galerie Teterow, mit F.-W. Fretwurst
2018 Barnstorf, Kunstscheune Eymael
2019 Kunstforum Pampin (Grafik), mit F.-W. Fretwurst
2020 03.04.- 14.07. Wustrow, Fischlandhaus, Arbeiten auf Papier (Gouachen und Grafik)
26.04.-11.07. Ribnitz-Damgarten, Galerie im Kloster, Kunstverein, Hinterglasmalerei
10.05.- 05.07. Ahrenshoop, Kunstkaten, Ölmalerei aus sechs Jahrzehnten
04.06.-17.07. Berlin, Antje und Friedrich-Wilhelm Fretwurst, zum 30. Jahrestag der Galerie „Berliner
Grafikpresse“
Ausstellungsbeteiligungen (Auswahl)
1972-88 Berlin, Bezirks-Kunstausstellungen
1986-95 Ausstellungsbeteiligungen in der Tschechoslovakei, in Frankreich, Italien, Japan, Polen, Litauen, Sowjetunion
1987 Berlin, Galerie M, mit F.-W. Fretwurst, Dietrich Noßky und Manfred Pietsch
Dresden, X. Kunstausstellung
1985-88 Ausstellungen, 100 ausgewählte Grafiken
1990 Berlin, Galerie Unter den Linden, Neun Berliner Malerinnen
1992-95 Berlin, Freie Berliner Kunstausstellung
Hamburg, Galerie Rose, mit F.-W. Fretwurst und Christine Jakob-Marks
Berlin, Berliner Rathaus, mit F.-W. Fretwurst und Rolf Lindemann
1993 Hamburg, Galerie Rose, mit F.-W. Fretwurst und Miguel Castro Lenero
1994 London, Leighton-House Museum, Fünf Berliner Malerinnen und Maler
1995 Pietrasanta, Italien , Galerie im Centro Culturale, mit Gudrun Kühne und F.-W. Fretwurst
2000 Berlin, Berliner Rathaus, Malerei, Berliner Bilder
Berlin, Medienzentrum Adlershof, Quimera, Homage an F. Garcia Lorca
Gleiches in Weinheim, Kunstförderverein
2001 Bautzen, Bautzener Kunstverein, Herbstsalon
2004 Berlin, Galerie der Berliner Grafikpresse, Dr. Peter Röske zum Gedenken
Güstrow, Wollhalle, Stillleben
2005 Barnstorf, Kunstscheune, Jubiläumsausstellung
2006 Berlin, Kunstforum Berliner Volksbank, Berlin im Bild 1945-2006
Rostock-Warnemünde, Galerie Möller, Jubiläumsausstellung
2007 Rostock, Kunsthalle, Landesweite Kunstschau des Künstlerbundes Mecklenburg-Vorpommern
Nürnberg, Kreis-Galerie, Nord-Süd, Kunst im Austausch
2008 Berlin, Galerie Mitte, Selbstportraits
Greifswald, Pommersches Landesmuseum, Landesweite Kunstschau des Künstlerbundes Mecklenburg-
Vorpommern
Ahrenshoop, Strandhalle, Maler von Haff und Bodden
Hamburg, Galerie Rose, Innenräume, Landesweite Kunstschau, Künstlerbund Mecklenburg-Vorpommern
2009 Berlin, Abgeordnetenhaus, Lebensmittel Kunst
Galerie Berlin, Lob des Herings
Berlin, Galerie am Pfefferberg
2010 Rügen, Galerie Kulturstiftung
Berlin, Galerie Karlshorst
Barnstorf, Galerie Eymael
2012 Berlin, Star Media GmbH, Diva und Heldin-Frauenbilder aus Ost und West
2013 Ahrenshoop, Kunstmuseum, Eröffnungs-Ausstellung
2014 Lilienthal-Worpswede, Ausstellung aus Norddeutschen Künstlerkolonien, Die Zeitgenössischen
2014-2019 „Grafik Nord“-Projekt, Norddeutsche Druckgrafik, jährl. in mehreren Galerien in Mecklenburg-Vorpommern
2015 Teterow, Galerie Teterow, Ein Vierteljahrhundert
Kunsthaus Bützow, Unterwegs auf Reisen
Greifswald, Greifengalerie
2016 Ludwigshof, Galerie Hornung, Maisalon
2017 Schwerin, Schleswig-Holstein-Haus, Logik der Macht der Logik
Schwerin, Schleswig-Holstein-Haus, Augenblick
2018 Barnstorf, Kunstscheune, Galerie Eymael, Jubiläum
Greifswald, Neue Greifengalerie
2019 Greifswald, Neue Greifengalerie
WIE EIN KOSTBARER TEPPICH
Grafik und Hinterglasmalerei von Antje Fretwurst-Colberg
Seit 1997 wohnt Antje Fretwurst-Colberg mit ihrem Mann, dem Maler Friedrich Wilhelm Fretwurst, in Dändorf am Saaler Bodden, nicht weit entfernt vom einst für die Gegend wichtigen Umschlaghafen, der heute nur noch wenigen Hobbyseglern ein ständiger Anlaufpunkt ist. Die Fretwursts sind eine in der Gegend um das Fischland lange ansässige Familie, das Wohnhaus des Künstlerpaares Teil dieses familiären Erbes. Indessen kennen beide auch anderes. Nach ihrem Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee lebten sie drei Jahrzehnte im Osten der geteilten Stadt – aufregende, widersprüchliche, vor allem aber fruchtbare Jahre.
Sie studierten zu einer Zeit, als Arno Mohr und Fritz Dähn in Weißen-see die bestimmenden Lehrer waren: Mohr als Zeichner durch seine Fähigkeit, mit sparsamsten Mitteln eine leere Fläche zu verräumlichen; der Süddeutsche Dähn mit seinen Wurzeln im österreichischen Ex-pressionismus, anfangs als Rektor in zwiespältiger Funktion, in der Lehre aber vorwärts weisend, indem er, wie schon der vom Bauhaus kommende Herbert Wegehaupt in Greifswald, seine Studenten auf die klassische Moderne hinwies, mehr noch, aktuelle Entwicklungen der westlichen Malerei wie den Abstrakten Expressionismus in Amerika positiv zur Kenntnis nahm und besprach. Die zweite Hälfte der 60er Jahre war in Berlin für Künstler keine einfache Zeit. 1968 wurde Walter Womacka Rektor der Hochschule, die Doktrin des „Sozialistischen Realismus“ herrschte in der Kunstpolitik und offiziellen Szene allenthalben. Doch gab es daneben schon die damals noch jungen Väter einer neuen Ostberliner „Schule“, die, anknüpfend an Picasso, den italienischen „Realismo“ und die Berliner Nachkriegstradition eines Werner Heldt beispielsweise, das wirkliche Antlitz der Stadt, die tatsächliche Atmosphäre des Lebens darin zu malen suchten – eine Atmosphäre, die immer noch deutlich von den Nachwirkungen des Krieges gezeichnet war: „Realismus“ hieß für diese Maler, das im Leben der Stadt allgegenwärtige Schwelen der Vergangenheit, die unausweichliche Melancholie mit einzublenden. Der bedeutendste Stadtmaler Ostberlins in den 50er Jahren, Ernst Schroeder, lebte damals schon nicht mehr dort, wohl aber Harald Metzkes, Manfred Böttcher, Hans Vent, Lothar und Christa Böhme und, nicht zu vergessen, der Zeichner Dieter Goltzsche.
Nach einer so genannten „Schwarzen Periode“ entstand die zunächst für diese Gruppe, dann für die Ostberliner Malerei generell bezeichnende Farbkultur der Verhaltenheit und subtilen Differenzierung: Es ging um das stille Seherlebnis, den als wahr empfundenen Charakter der ins Bild gesetzten Form und Farbe.
Für Friedrich Wilhelm Fretwurst und Antje Fretwurst-Colberg wurde diese Haltung maßgebend und band sie ein in den progressiven Teil der Berliner Künstlerschaft. Zeitweise lebten sie vor allem von Grafik, die sie als Radierung hoch kultivierten: Berlin bot dafür lange einen dankbaren Markt. Von Anfang an hatte Antje Fretwurst-Colberg ihre eigenen Themen und besonderen, oft von einem auffälligen Detail her entwickelten Bildideen. Sie setzt sie bis heute auf eine Art um, die bei all ihrer professionellen Erfahrung den Eindruck versierten Gemacht-seins immer wieder erfolgreich umschifft zugunsten einer Bildsprache, die einfach bis zum Naiven daherkommt, reduziert auf das, was ihre Erlebnisart und -stärke am klarsten zur Ansicht bringt. Damit steht sie in der Tradition der klassischen Moderne: nicht nur des Expressionismus und seiner Wegbereiter, sondern auch ihm folgender Entwicklungen, wie man sie etwa vom frühen Bauhaus her kennt, der formstreng dinglichen, aber märchenhaft kostbaren Bildwelt Max Peiffer-Watenphuls und gelegentlich auch Johannes Ittens. Es geht weder um Realismus noch um Ausdruck allein, vielmehr um etwas dazwischen, um die sinnliche, auch mentale Qualität des Sehens in ihren zahllosen Bedingtheiten. Die Malerin hat immer interessiert, wie der Raum, in dem sie lebt, sich ihrer Person öffnet, welche Geschichte er zeigt, aber auch, welche stillen Schönheiten, welche Pracht. Ihre Seh-weise ist ohne Bitterkeit, ohne die sprichwörtliche Berliner „Tristesse“. Stattdessen konstatiert sie mit einer Art liebevoller Unbefangenheit vielfältige Zusammenhänge von Flächenformen, Linien und Valeurs, die reiches Leben anzeigen, ganz gleich, was die Sujets an Vorbedeutung zu vermitteln scheinen. Das meint besonders jene Arbeiten, die den Berliner Stadtraum zum Gegenstand haben und die in der Grafik manchmal ans Phantastische grenzen. So die Blätter ihrer Radierfolge zu Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“, wo die in den späten 70er Jahren aktuellen Schauplätze der Gegend um das Ostberliner Zentrum sich in solche des Romans verwandeln. Sie hat für diesen Zyklus nicht mehr „jungfräuliche“ Radierplatten mit Spuren einer fremden Vornutzung verwendet, die sie als vagen Stimmungs- und Geschichtshintergrund in ihre Bildformulierungen einflocht.
Ähnlich verfährt sie heute mit Relikten ihrer eigenen Vergangenheit: Eine Reihe übermalter Aquatinta-Radierungen lebt von der Umdeutung früherer Bildorganismen zum quasi verdeckten „Untergrund“ eines neuen, ganz und gar anderen. Mit solchen Arbeiten hält Antje Fretwurst-Colberg den Kontakt zu ihrem älteren Werk aufrecht, hält es als schöpferische Quelle für sich selbst lebendig.
Experimentelles Kombinieren verschiedener Techniken und Materialien liegt auch ihrer Hinterglasmalerei zugrunde: Hier kommen Malen, Radieren und Collagieren zusammen. Die Bildwelt ist die meistens in-time ihrer eigenen Wohnräume mit ihren zahlreichen Stillleben oder, vereinzelt, wiederum die eines Romans – doch erweist sich die Intimität dieser Sujets jetzt als Nährboden für entfesselte Sinnlichkeit. Der Bezug zur Volkskunst ist bewusst gesucht: Die Malerin beruft sich auf eine „Weltkultur der Glasmalerei“, aus der die Technik herkommt, aber auch jenes handwerklich-naive, andächtige und unbescholtene Künstlertum, dem sie sich so verbunden fühlt. Aus manchen ihrer Glasbilder springt eine geradezu wuchernde, exotische, ja festliche Fülle an Formen und betörenden Farben ins Auge, andere sind zurückhaltender, gebauter. Der ornamentale Reichtum lässt an Werke des Jugendstils denken, doch sind ihre Arbeiten ungebärdiger, nicht wirklich stilisiert, auch wenn sie malerisch in der Fläche bleiben. Visuell fügt sich alles zueinander wie ein kostbarer Teppich. Die Art, wie eine letztlich stets vorhandene kompositorische Ruhe mit erregender Farbe einhergeht, wie alles leicht gemacht ist, die Dinge sich selbstverständlich aus der Malerei herausschälen, erinnert an den großen Holländer Vermeer van Delft, den Meister der gemalten Alltags-Stille, die doch voll Spannung ist, voll gefühlter Aussicht auf etwas Unerhörtes. Diesem Drängen der Dinge aus der Tiefe ihrer Farben und Formen ist die klassische Moderne nachgegangen, Paula Modersohn-Becker und ihre Geistesverwandten Cézanne, Gauguin und Van Gogh. Alle brauchten sie das Land und die Großstadt, um künstlerisch zu wachsen und zum Ziel zu kommen. In ihrer Nähe zu bleiben, im Prinzip und mit dem Abstand der Zeit, ist der Weg, der die Kunst einer Heutigen wie Antje Fretwurst-Colberg immer noch trägt.
Katrin Arrieta